Krisen und Sorgen
In jeder guten Beziehung gibt es manchmal Regenwolken am Himmel. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie eine Beziehung als Paar, Ehegemeinschaft oder Lebensgemeinschaft führen. Die Kunst ist es, diese sorgenvollen, ärgerlichen, verletzten oder sogar einsamen Situationen gut zu meistern und einen Weg zu finden, besser auf einander einzugehen. Gerade in schwierigen Momenten lernen Partner oft mehr über sich und den Anderen / die Andere als in sonnigen Zeiten. Damit Sie den richtigen Anschluss finden und nicht in der Krise steckenbleiben oder gar scheitern, bieten wir Ihnen ein paar generelle Hilfestellungen an und ermutigen Sie, diese auszuprobieren.
HINWEIS ZUR NUTZUNG
Bitte beachten Sie, dass wir Ihre konkrete Situation nicht kennen und wir auch nicht einschätzen können, ob die jeweiligen Hinweise tatsächlich auf Ihre Situation passen und wirksam sind. Daher schauen Sie bitte genau hin, wie und ob die Hinweise für Ihre Situation stimmig sind.
Die Krise erkennen
Nicht jeder schlechte Tag ist schon gleich eine Krise. Doch eine Reihe davon kann ein Anzeichen sein. Wichtig ist, dass eine Krise früh erkannt wird, bevor ein Paar sich entfremdet und an einer gemeinsamen, glücklichen Zukunft zu zweifeln beginnt.
Damit Sie als Paar die Vorboten einer Beziehungskrise rechtzeitig erkennen können, geben wir Ihnen hier eine kleine Liste typischer Anzeichen an die Hand:
- Fehlende Kommunikation: „Liebst du mich noch?“ - „Das weisst du doch, sonst wäre ich schon längst nicht mehr mit dir zusammen.“ So schön eine Geste auch sein mag, es braucht in jedem Fall auch Worte, um sich richtig zu verstehen. Fehlt es an der eindeutigen Kommunikation, wird interpretiert und das kann schief gehen. Missverständnisse und Frustration sind die Folge.
- Mangelndes Interesse: „Wir haben schon ewig nichts mehr gemeinsam unternommen.“ - „Kommt mir gar nicht so vor.“ Wenn die Aufmerksamkeit für Partner / Partnerin im Alltag verlorengeht, fühlt sich die Andere / der Andere häufig wie ein selbstverständlicher Teil des Inventars, d.h. nicht mehr gesehen, vernachlässigt und enttäuscht. Das erzeugt anhaltende Verärgerung, Rückzug oder ständige Sticheleien.
- Ständiger Streit: Manche Paare sind in einer Streitschleife gefangen. Nichtigkeiten wie die berühmte offene Zahnpastatube oder die dreckigen Schuhe im Flur sind so anstrengend, dass größere Probleme (die meist unter den kleinen Themen liegen) nicht mehr aufgegriffen werden. Dafür fehlt die Energie.
- Kein oder wenig Sex: „Schatz, ich mach’s mir schon mal gemütlich im Bett. Kommst du gleich nach?“ - „Ich muss noch schnell die Wäsche machen und zudem habe ich Kopfschmerzen“ Die Lust bleibt auf der Strecke, wenn sich Routinen eingeschlichen haben und jede/r zu wissen meint, was der / die andere mag. Sex wird langweilig, wenn ein Paar in seiner Komfortzone bleibt und die Neugier aufeinander schwindet. Es fehlt die Spannung, das gewisse (unbekannte) Etwas, das den anderen / die andere anziehend macht. Auch anhaltende Streitereien sind nicht besonders gut geeignet, um Lust aufeinander zu bekommen.
- Machtkämpfe: „Meine Chefin hat mir heute angekündigt, dass ich am Jahresende mit einer Bonuszahlung rechnen kann, weil mein Projekt so erfolgreich lief.“ - Stell dir mal vor, mein Chef hat angedeutet, dass ich demnächst mit einer Beförderung rechnen kann.“ Wenn Partner rivalisieren, wer besser im Beruf ist, besser kochen kann oder die meisten Freunde hat, versuchen sie einander wie konkurrierende Geschwister zu übertrumpfen. Stattdessen wäre besser, sich gegenseitig Erfolge zu gönnen und Fähigkeiten anzuerkennen. Missgunst und Neid führen zu dem Gefühl ungeliebt zu sein und sind keine guten Begleiter in einer Beziehung.
- Respektlosigkeit: „Ich habe dir heute dein Lieblingsessen gekocht.“ - „Ich habe schon in der Kantine gegessen, da schmeckt es immer besser." Anhaltende Respektlosigkeit ist Gift für jede Beziehung und ein Alarmzeichen. Fehlende Achtung und Wertschätzung höhlen das Selbstwertgefühl aus. Respektlos behandelte Partner / Partnerinnen fühlen sich ungeliebt, abgewertet, gekränkt und ungerecht behandelt.
Zu den Grundregeln der gewaltfreien Kommunikation erfahren Sie hier mehr: Beziehungspflege
Gründe für eine Krise
In einer Beziehung treffen immer verschiedene Charaktere aufeinander, Menschen, die bereits eine eigene Geschichte haben. Ihre Erfahrungen mit Beziehungen können dabei sehr unterschiedlich sein. So ist es ganz natürlich, dass es zu Unterschieden und Unstimmigkeiten kommt und nicht immer Harmonie herrschen kann. Niemand braucht sich dafür zu schämen. Die Gründe für eine Krise sind vielfältig und haben wenig damit zu tun, ob jemand „schuld“ ist oder nicht. Wenn ein Partner / eine Partnerin oder beide sich in der Beziehung unzufrieden fühlen, kann das verschieden Ursachen haben:
Hohe Erwartungen und Enttäuschung
Am Beginn einer Beziehung haben beide zumeist die rosa Brille auf der Nase und das ständige Hochgefühl ist regelrecht berauschend. Freude, Hoffnung und Idealisierung sind normal. Wenn Menschen trunken vor Glück sind, ignorieren sie nicht selten alle Anzeichen, die für die Verliebtheit störend sein könnten.
Paare wünschen sich, der Ausnahmezustand der Verliebtheit möge niemals enden. Alles fühlt sich richtig und passend an. Wenn dann im Alltag doch Unterschiede sichtbar werden und das Idealbild zu bröckeln beginnt, kann das dazu führen, dass eine oder einer von beiden beharrlich an den eigenen Vorstellungen festalten will: Die / der andere soll so bleiben, wie „man“ ihn / sie gerne hätte. Dauernde kritische Rückmeldungen „Warum machst du das nicht anders?“ oder die Idee, den / die andere mit der Zeit doch in die gewünschte Richtung „erziehen“ zu können, gehen selten gut. Die rosarote Brille abzusetzen, bedeutet, sich gegenseitig kennenzulernen, die „guten“ Seiten zu ergründen, aber auch die Ecken und Kanten zu erkennen und für sich einen Weg zu finden, damit umzugehen. Vielleicht gibt es ja sogar Macken, die liebenswert erscheinen.
veränderte Lebensumstände
Wenn eine Partnerschaft grundlegenden Veränderungen stand halten muss, bedeutet das Stress und kann sehr belastend sein, auch wenn das nicht immer gleich deutlich wird.
Der Verlust oder Wechsel des Arbeitsplatzes, Umzug, Zusammenziehen, Geburt von Kindern, Wechsel in Kindergarten oder Schule sind Veränderungen, die in der Regel mit Krisen einhergehen. Gewohnte Routinen werden unterbrochen, Rollen verändern sich, neue Aufgaben müssen eingeübt oder vertraute abgegeben werden. Gemeinsam müssen neue Strukturen entwickelt und neue „Spielregeln“ verhandelt werden, damit sich Beziehungen wieder stabilisieren / einspielen.
Alltagsprobleme
Stress im Job, Kindererziehung, finanzielle Probleme, Pflege der Eltern oder beispielsweise vielseitige Aufgaben im Ehrenamt können ganz schön viel Zeit in Anspruch nehmen, sodass nur noch wenig Zeit für das Miteinander bleibt und Verhaltensmuster entstehen, die wenig Raum für die Beziehung lassen. Ähnlich kann es Paaren ergehen, die eine Fernbeziehung führen und ihre Interessen notgedrungen von einander getrennt suchen. Die Folgen sind Unzufriedenheit, vielleicht auch sexueller Frust oder Entfremdung.
Langjährige Beziehungen und Sex
Eine Beziehung wird klassischerweise in die drei Bereiche Liebe, Freundschaft und Lust eingeteilt. Sex ist also nicht alles, aber doch ein wichtiger Bestandteil, der nicht vernachlässigt werden sollte. Dennoch ist es ganz normal, dass Lust und Begehren nachlassen. Das bedeutet noch lange nicht, dass die Beziehung in einer Krise steckt.
Was kann ein eingeschlafenes Sexualleben wiederbeleben?
Hilfreich ist, die Routinen und damit die sexuelle Komfortzone zu verlassen und etwas anders zu
tun als sonst. Das braucht oft Mut, sorgt aber meistens auch für Überraschung, den sogenannten Wow-Effekt: „So kenne ich dich ja gar nicht!“, “Das hätte ich ja nie gedacht, dass du.…“ Der Partner / die Partnerin wird wieder mit neuen Augen gesehen. Dazu ist es hilfreich, einander die eigenen Wünsche und Bedürfnisse wissen zu lassen. Reden hilft. Das heisst nicht automatisch, die Wünsche des / der anderen auch erfüllen zu müssen. Aber es kann aufregend sein, davon zu erfahren und sich vielleicht doch darauf einzulassen, gemeinsam etwas Ungewohntes auszuprobieren. Das darf dann auch anfangs „schiefgehen“ oder anders sein, als erwartet.
Verhaltenshinweise
Wenn Sie eine Krise erkannt haben, was können Sie tun?
Schuldzuweisungen helfen niemandem weiter, auch wenn es manchmal naheliegend zu sein scheint, den Partner / die Partnerin als Ursache für den eigenen Ärger, die Enttäuschung oder einen Konflikt zu sehen. Vorwürfe und Beschuldigungen bewirken meistens, dass die Beschuldigte / der Beschuldigte sich angegriffen fühlt und zur Verteidigung bzw. zum Gegenangriff übergeht oder aber sich zurückzieht. Damit wird ein offenes Gespräch über das, was im Argen liegt, oft unmöglich. Ohne ein solches Gespräch über das, was Ärger oder Unzufriedenheit auslöst, lässt sich auch keine Idee finden, wie künftig ein anderer Weg eingeschlagen werden kann, um solche Situationen zu vermeiden.
Literaturhinweise
Wenn Sie Lust haben, es genauer zu erfahren.
- Wenn die Giraffe mit dem Wolf tanzt - Vier Schritte zu einer einfühlsamen Kommunikation"; 176 S, KOHA Verlag. Ein schmales Taschenbuch, mit konkreten Tipps für die gewaltfreie Kommunikation von Serena Rust. Leseprobe: http://serena-rust.de/publikationen/
- In den EFL-Themenheften finden Sie ausführliche Informationen zu einzelnen Krisenthemen: Treuebruch, Eifersucht, Erwartungen / Enttäuschungen, fehlenden Kommunikation miteinander, und viele weitere Problematiken sind dort für Ihre Unterstützung aufbereitet: THEMENHEFTE DER EFL IM ERZBISTUM KÖLN
- Eine Vielzahl an Fachartikeln zu Lebens-, Partnerschafts- und Familienfragen finden Sie ebenfalls auf der Seite der EFL Köln: https://koeln.efl-beratung.de/infothek/fachartikel/
- Bitte schauen Sie auch in die Paarbeziehungen (unter Anregungen zur Beziehungspflege), dort haben wir eine ganze Reihe weiterer Informationen für Sie zusammengetragen.
- Im Jahresbericht 2018 der Psychologischen Beratung im Bistum Osnabrück ist der Beitrag von Christoph Hutter unter dem Titel "Familien unter Druck" besonders empfehlenswert. (Link löst Download des Jahresberichts aus).
- Mit dem besonderen Augenmerk auf die Veränderung der Beziehungen durch ein Kind befasst sich Melanie Schüer im Jahresbericht 2019 der Psychologischen Beratung im Bistum Osnabrück: "Eltern werden, Paar bleiben" (Link löst Download des Jahresberichts aus).
- Familienhandbuch online „Familien im Alltag“: Hier werden anhand einzelner Beispiele und alltäglicher Situationen mögliche Lösungen aufgezeigt.
- Im Familienreport „Lebensformen und Alltagsrealitäten von Familien“ unter Punkt 2.6 wird gezielt darauf eingegangen, in welchen Bereichen Eltern sich Unterstützung erhoffen.
- Im Familienreport „Familien in Baden-Württemberg“ werden häufige Alltagsbelastungen unter dem Beitrag “Alltagsorganisation, Aufgaben und Belastungen von Familien” besprochen.